Wie ein Schriftsetzer die Druckpresse hört · 17. Oktober 2011
Als ich früher nur als Schriftsetzer arbeitete und die drei Heidelberger Tiegel der Buchdruckerei Rapputan in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte nicht sprechen hörte, sondern mich nur von ihrem Rhythmus durch den Arbeitstag tragen ließ, dachte ich mir oft Melodien dazu aus. Heute höre ich weniger die Musik, sondern ich lausche, ob die Kippung der Saugstange gut eingestellt ist und ob die Blasluft die Bogen nicht zu stark anhebt, auch das Zahnrad am Farbkasten macht sich bemerkbar und erinnert mich daran, ob viel oder wenig Farbe ins Farbwerk gehoben wird, und wenn es irgendwo leise quietscht, dann bin ich sofort mit der Ölkanne dabei, die trockene Stelle im Farbwerk herauszuhören und dem Mangel abzuhelfen. Aber ganz vergessen habe ich die Musik nicht.
Läuft der Tiegel sehr schnell, verlieren die einzelnen akustischen Momente an Deutlichkeit. Dann kann man innerlich zwar im Wiener Walzer oder im Foxtrott oder einem sehr schnellen Marsch mitgehen, aber die Musiker suchen bald verzweifelt die Eins, und die Tontechniker bemängeln, er würde das Tempo nicht halten. Also habe ich ihn, den Tiegel, oder sie, die Maschine, langsam laufen lassen und mir Musiker ins Haus geholt. Gitarre, Baß, Querflöte, Trommel, Rasseln und der Tiegel, wir hatten einen schönen Tag mit den Instrumenten. Bis dann das erste Musikstück zu hören war, hat es im Studio ein Weilchen gedauert. Und schließlich wollte ich auch Bilder dazu liefern.
Musik mit Maschinen, originelle Schlagwerke mit orchersterfremden Instrumenten — man kennt so etwas aus der Neuen Musik des 20. Jahrhunderts. Hat es schon mal jemand mit dem Heidelberger probiert? Meines Wissens sind wir auf diesem Gebiet Pioniere. Hier ist unser erstes Stück:
— Martin Z. Schröder
Kommentare [4]