Erste Druckgänge für Cordbettwäsche · 22. Juni 2012
Heute kam die Umbruchkorrektur für das neue Buch von Max Goldt, das im September bei Rowohlt Berlin erscheinen wird und um dessen typografische Inneneinrichtung ich mich kümmere. Auf der Verlagsseite ist es noch nicht zu finden, aber eine Andeutung des überaus schönen Umschlages mit Pinselkalligrafie von Frank Ortmann kann man bei Amazon schon sehen.
Im September wird das bibliophile Büchlein noch nicht erhältlich sein, obwohl ich nun gestern mit dem Druck begonnen habe.
Vor dem Druck steht freilich die Planung. 2000 Rohbogen Popset perlgrau 90g/qm wurden von der Hamburger Papier-Union geliefert. Diese Rohbogen sind 700 × 1000 mm groß und müssen zuerst zugeschnitten werden. Das sind unhandliche 126 Kilogramm, die unterm Messer handlich und bedruckbar gemacht werden. Ein Ries (Papiermaß, in diesem Falle 250 Bogen 70 × 100 cm in einem Paket) wiegt knapp 16 Kilo und bildet ein Achtel des Inhalts der Gesamtauflage.
Die Buchtypografie muß nun auch für den Satz und die Druckform passend gemacht werden. Während ich beim Entwurf durchaus mit dem metrischen System arbeite, wird für die Druckform die Maßeinheit der Buchdruckerei benötigt: Cicero, Punkt, Konkordanz. In einer Skizze werden die Stegmaße notiert, also die weißen Flächen auf der Buchseite, in denen die Kolumne steht.
Bevor die Druckmaschine rollt, fragt der Drucker seinen Buchbinder, welche Maße dieser für seine Maschinen benötigt. Kein Drucker druckt, ohne sich beim Buchbinder zu vergewissern, daß die Druckbogen auch gut verarbeitet werden können.
Was ein Vorfalz ist, wird auf der oben verlinkten Seite der Firma Lüderitz & Bauer erklärt, die auch für dieses Büchlein wieder die Fadenknotenheftung übernehmen wird. Die Fadenknotenheftmaschine ist ebenso wie die Druckpresse 60 Jahre alt. Alle beide Baujahr 1952.
Mit dicken Linien habe ich erst einmal die Druckform eingerichtet. Insgesamt wird das Buch mehr als 60 Druckgänge benötigen wegen der vielen Farben auf den 32 Seiten.
Hier sind die Seiten 8 und 25 in einer Druckform für einen Druckbogen zu sehen. Erst durch das Falzen, das Zusammentragen und die Heftung gelangen die Seiten in die richtige Reihenfolge.
Weil jede Seite in diesem Büchlein ihren eigenen Entwurf bekommt, müssen die Skizzen genau geprüft werden. Nicht immer ist im Bleisatz machbar, was der Typograf sich wünscht. Schon im ersten Druckgang habe ich eine Schrift ausgetauscht. Das geht natürlich nur, wenn man in den typografischen Entscheidungen ganz frei ist. Ich muß typografisch weniger planen, als wenn ich für einen anderen Verlag arbeite.
Und weil ich mit diesem Entwurf unsicher war, habe ich die nicht auf dem Druckbogen, aber im fertigen Buch nebeneinanderstehenden Seiten vollständig aufgebaut, also insgesamt vier Seiten. Diese vollen Schließrahmen sind ein befriedigendes Bild für den Drucker. Das Einrichten der Seiten (der Vorfalz muß auf der Gegenseite in die Gegenrichtung berechnet werden), die punktgenauen Abmessungen (1 typografischer Punkt = 0,376 mm) und die Korrekturen haben einen halben Tag gedauert. Ich mache solche schönen Arbeiten ja nicht täglich und habe mich ein paarmal verrechnet. Ich bin aber mißtrauisch genug, um alles mehrmals nachzurechnen. Fehler, die Druckbogen untauglich machen, wären einfach zu kostspielig.
Hier sieht man den guten Monotype-Satz aus der Bodoni, den mir die freundlichen Kollegen vom Hamburger Museum für Arbeit lieferten, zusammen mit einem Schmuckelement aus meinem Fundus.
In einer zweiten Farbe wird diese Lichte Bodoni (Handsatz) hinzugefügt werden.
Das ist die Lichte Bodoni im Korrekturabzug in Schwarz.
Und hier die Monotype-Bodoni in kursiv und gewöhnlich.
Eine Vergrößerung des Schmucks macht die innere Schraffur sichtbar.
Hier die Vergrößerung der beiden Typen, aus denen das Zeichen zusammengesetzt ist. Das linke schon schwach in den Linien.
Die Schreibschrift Jaguar steht in einem aus der Maxima gesetzten Text.
Die Jaguar ist eine hübsche Type, die den munteren Zug der gedrehten Breitfeder zeigt. Georg Trump hat sie gezeichnet, sie ist in der Schriftgießerei C.E. Weber anno 1965 in Stuttgart erstmals gegossen worden.
— Martin Z. Schröder
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Viele Schriften auf einer Seite · 24. Mai 2010
Es sind zwar nur zwei halbe Texte, das ist keine Doppelseite, sondern ein Druckbogen mit den Seiten 26 (links) und 7 (rechts), aber so große Textpassagen kann ich nicht scharf zeigen. Zum dunklen Rötlichblau kommt im nächsten Druckgang noch Orange. Aber über einige Details darf ich schon plaudern, zumal sie nichts mit dem Textinhalt zu tun haben, sondern mit seiner Form.
Apropos Form, dies hier ist die Druckform im Schließrahmen. Das Buch wird komplett vom Bleisatz gedruckt, Klischees kommen nicht zur Anwendung. Ausschließlich Handsatzqualität. Damit läßt sich einiges anrichten. Neulich las ich (Dank nach Hamburg für den Tip!) ein Interview mit Kurt Weidemann in den Heidelberg Nachrichten (Ausgabe 269, Seite 48ff., online hier)
Darin sagt er, es wäre ihm “am liebsten, wenn wieder der manuelle Bleisatz gemacht würde, weil ich jeden Buchstaben einzeln aus dem Setzkasten holen muss, also zur Gründlichkeit gezwungen bin. Ich habe das Produkt in die Hand genommen und in den Winkelhaken hineingestellt. Ich habe die Zeile spiegelbildlich über Kopf gesehen, die Zeile überflogen, ausgeglichen und mich dann an die nächste Zeile gemacht. In dem Moment, wo ich die Buchstaben spiegelbildlich über Kopf sehe, lerne ich, Formen zu unterscheiden und Qualitäten zu erkennen.” Übrigens erklärt das auch die Fotos vom Bleisatz in diesem Blog, die ich so zeige, wie ich den Satz sehe, also kopfgestellt, damit man von links nach rechts lesen kann.
Weidemann sagt, finde ich, vieles schön und richtig, aber manchmal übertreibt er. Auf die Frage nach typografischen Innovationen antwortet Weidemann: “Für die Typografie sehe ich nur einen geringen Innovationsspielraum, einen äußerst geringen. Da kann man nur etwas fortsetzen, was in 450 Jahren gewachsen ist. Wir brauchen kein einziges neues Alphabet mehr, und ich kenne gute Typografen, die ihr Leben lang mit drei Schriften ausgekommen sind. Heute gibt es 30 000 Schriften auf dem Markt. Davon sind 29 984 überflüssig. Die kann man im Stillen Ozean versenken, ohne einen kulturellen Flurschaden anzurichten. Da geht nichts Wertvolles kaputt.” Sechzehn Schriften will er uns noch gönnen, wobei der einzelne Typograf sich mit einer Handvoll bescheiden soll. Möglicherweise übertreibt er aus pädagogischen Gründen, aber mir ist die Wahrheit lieber als die Erziehung. Der Fundus an Meisterschriften ist seit Jahrhunderten größer als das, was Weidemann uns läßt; und ein Typograf, der mit drei Schriften auskommt, also nicht einmal zwischen zwei Schriften gleichen Stils wählen darf, welche Schriftart hat der denn über Bord geworfen? Renaissance-Antiqua, Übergangs-Antiqua, Klassizistische, Serifenlose, Gotische, Rundgotische, Schwabacher, Fraktur? Von Schreib- und Schmuckschriften nicht zu reden.
So, jetzt ein bißchen Schlamm und Schmutz, denn ich bin kein Bibeltypograf, der sein Lebtag mit drei Schriften auskommen kann. (Es ist ein Andruck auf dem Foto, deshalb so unsauber.) Im Bilde hier die halbfette Fundamental kursiv (Gießerei Ludwig Wagner, Leipzig, Erstguß 1939, Entwurf Arno Drescher), die Bigband (Entwurf Karlgeorg Hoefer, Gießerei Ludwig & Mayer, Frankfurt am Main, Erstguß 1974) und die halbfette Block-Signal (Entwurf Walter Wege für die H. Berthold AG, Erstguß Berlin 1932). Auf der Doppelseite im Buch tummeln sich dann außerdem noch die schmalhalbfette Futura und die kursive Garamond und als Grundschrift die magere Maxima (Gießerei Typoart, Entwurf von Gert Wunderlich, 1960er Jahre, Erstguß 1970?, stimmt das?).
Aber die Doppelseite wird trotzdem anständig aussehen, auch wenn sechs Schriften auf ihr beisammen sind. Hier zwei davon, die Futura unten und die Garamond oben. Zweitfarbe fehlt noch. Es handelt sich um ein Platten-Cover, also gewissermaßen um ein typografisches Zitat im Text.
Hier zeige ich die Satzform; die Garamond mußte um den Kreis, der auf einen eckigen Kegel gegossen ist, herumgebaut werden. War aber keine große Sache.
Die Garamond hat eine ft-Ligatur. Ich habe vergessen, sie zu fotografieren. In der Ligatur ist das t nach oben gezogen, um in den Kopf des f überzugehen. Jan Tschichold hat diese Vergewaltigung des t scharf kritisiert. Ich hatte es erst gesetzt, aber als ich dann die ersten Andrucke sah, habe ich diese Ligatur doch wieder aufgelöst. Wenn man es einmal mit Tschicholds Augen gesehen hat, kann man das ft kaum noch verwenden. Vielleicht in einer kleinen Schrift auf einer Akzidenz, aber für Buchkunst ist die Ligatur zu häßlich. Möglicherweise wollte Thannhaeuser sie gar nicht zeichnen (Erstguß 1955), und die Genossen von Typoart haben ihn überredet.
Die fi-Ligatur ist ja sehr schön.
Auch die ff-Ligatur kann sich sehen lassen.
In der Schriftgießerei hat man so einiges ausgeheckt. Zum Beispiel für die Maxima. Hier kam man auf die Idee, an Ruf- und Fragezeichen, ans Kolon und Semikolon das Spatium, das der Setzer von Hand vor das Zeichen setzt, gleich anzugießen, um dem Setzer einen Handgriff zu ersparen. Der arme Setzer hat aber nicht nur aus der Maxima zu setzen (außer er arbeitet für einen Typografen wie den Bekannten Weidemanns), und so muß er für einen gewohnten Handgriff (Punkt-Spatium vor !?;: und Guillemets in Brotschriftgraden) plötzlich darüber nachdenken, in welchem Kasten er die Finger hat.
Der Satz: an die Ausrufezeichen muß kein Spatium mehr gelegt werden.
Um den Freunden der Werke Max Goldts den Mund wässrig zu machen auf dieses Buch, verrate ich die Überschriften der beiden Texte. Der erste heißt Chcocklers Flops, der zweite Die Elfjährige, die in der Achterbahn ein Kind ohne Knochen gebar. Bestellen kann man das Buch noch nicht, es ist einfach zu früh, mitten in der Produktion.
— Martin Z. Schröder
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