Grün unter der U-Boot-Latüchte · 18. Dezember 2008
Ich habe nichts gegen die Jahreszeiten, ich sieze sie alle und übe mich in Sympathie-Verhältnissen, auch wenn sie manchmal schwer erträgliche Phasen haben. Aber als Drucker habe ich seit Wochen überhaupt kein vernünftiges Licht mehr. Heute habe ich grün gedruckt, ein dunkles grün, das nicht mehr gelblich qietschen sollte wie ein Rasen und auch nicht ins Schwarze modern, sondern satt und eigenständig grünen. Im Herbst konnte ich vormittags noch ganz gut Farben mischen, aber wenn nun die Sonne dauerhaft verhangen wird selbst in den wenigen Stunden ihrer Bemühungen um höhere Aussichtspunkte, dann ist es schwer.
Nun habe ich mir eine “True-Light”-Lampe gekauft, mit deren Licht sich angeblich auch die Matrosen der amerikanischen Polaris-U-Boote (Polaris klingt in der Tat besser als nur U-Boot, lampenreklamemäßig) seelisch über Wasser halten, wenn sie sehr lange unter Wasser aushalten müssen. Das Licht dieser Lampe soll sich wie kein zweites dem des natürlichen Tageslichtes annähern, wobei man gerne näheres wüßte über Ort und Tageszeit. Denn Tageslicht sieht vormittags schon an einem Ort ganz anders aus als nachmittags, an verschiedenen Orten noch verschiedener. Ich bin wirklich recht angetan von dieser Lampe, aber sie ist keine Hilfe bei der Bewertung von Papierfarbe, und auch beim Mischen von grüner Druckfarbe war sie heute nur so mittelhilfreich. Mit drei verschiedenen Lampenlichtfarben in zwei Räumen und auch mal einem Schritt auf die Straße ins Restlicht, das uns hier im Nordosten noch gelassen wird, habe ich es hinbekommen, glaube ich. Im März kann ich es ja mal prüfen.
Presse Morgen erscheint die 100ste Ausgabe des Magazins brand eins, das ich seit einigen Jahren jeden Monat als erfreuliche Drucksache in meinem Briefkasten finde. Erfrischend muß man die Sichtweise nennen, mit der in diesem Magazin das Wirtschaften an sich betrachtet wird. Der Unternehmer ist aus der Perspektive dieses Magazins einer, der etwas unternimmt nicht um das Proletariat zu unterdrücken, wie es in vielen anderen Drucksachen gebetsmühlenartig dargestellt wird, sondern um seine geistige und soziale Kapazität zu vielerlei Nutzen auszuschöpfen. Es gibt wunderbare Rubriken wie jene über die kleinste wirtschaftliche Einheit, in welcher Menschen aus aller Welt in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht vorgestellt werden, mit Kennzahlen (Einkommen, Brotpreis etc.), Foto und Originaläußerungen. Das Design dieser Zeitschrift ist übrigens eine Pracht für Leser: animationsfrei, aber animierend, dem Leser weder Faulheit noch Dummheit unterstellend, also lesefreundlich und sogar schön. Mike Meiré macht eine Zeitschrift, die zugänglich wirkt und so gut gemacht ist, daß man ihr Design nicht wahrnimmt. Es erfüllt seine dienende Funktion also vorbildlich.
In Heft 1/2009 wird die Druckerey vorgestellt “als schönes Beispiel dafür, dass ein altes Handwerk, von den Zeitläufen per Computer erledigt, munter überleben kann, wenn jemand dazu Lust hat und mit Intelligenz, Fantasie und sanfter Sturheit einen Markt aufmacht, wo es keinen gibt.” Holger Schnitgerhans hat den Text verfaßt und Heji Shin Ansichten fotografiert, die mir meine Werkstatt etwas anders zeigen, als ich sie täglich sehe, ziemlich romantisch und still, was mir sehr gefällt.
(Nein, die Romana-Kritik ist nicht vergessen, aber vor Januar komme ich nicht dazu. Noch ist Weihnachten nicht durchgedruckt, und dann muß erst einmal aufgeräumt werden, in der Werkstatt und im Kopfe.)
— Martin Z. Schröder
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