In Blei entwerfen · 12. Oktober 2011
Am meisten Vergnügen macht das Entwerfen mit Bleistift, Papier und Bleilettern. Ob die Kreideschrift Gong digital verfügbar ist, und auch mit den Ligaturen der Bleischrift, weiß ich gar nicht. Und die verwendeten Schmucklinien, kleine quadratische Ornamente, hätte ich genau vermessen und am Computer erst zeichnen müssen. Die Arbeit ohne Bildschirm erzwingt genauere Überlegung, weil man nicht so rasch verwerfen und erneuern kann. Es dauert ein Weilchen, bis eine Druckform gebaut ist, und man ist gut beraten, beispielsweise die Maße möglichst vorher festzulegen, denn eine Änderung der Satzbreite kann dauern.
Dieser Entwurf wurde direkt in den Schließrahmen gebaut. Zuerst der ornamentale Rahmen in der Satzart eines Linienrahmens mit inneren Anschlägen und systematisierter Satzbreite und -höhe. (Das zu erklären, würde eine Lehrbuchseite abgeben, ich lasse die Fachbegriffe für die mitlesenden Schwarzkünstler stehen.)
Text wird immer im Winkelhaken gesetzt. Hier steht die schmalmagere Futura in Petit (8p) im Winkelhaken.
Und so sieht die Druckform aus.
Dieser Korrekturabzug wurde mit der Schere ausgeschnitten, denn es ist mit keiner selbstgreifenden Buchdruckpresse möglich, so dicht an den Papierrand zu drucken. Fertig ist die Karte noch nicht. Ob ein weißer Druckgang für die Farbdeckung genügt oder die Lasurwirkung ganz hübsch ist, wird sich zeigen, wenn die Farbe trocken ist. Und am Ende wird dieses Modell noch mit einem Farbschnitt veredelt werden.
Und das sind die beiden Schriften.
Die “Kreideschrift” Gong aus der Schriftgießerei Wagner in Ingolstadt, von Carl Winkow (nach Kandler Winckow, nach global-type.org Norddeutsche Schriftgießerei) gezeichnet und 1945 erstmals gegossen.
Die schmalmagere Futura wurde von Paul Renner gezeichnet und in den 1930er Jahren veröffentlicht, sie erfreut sich bis heute auch als digitale Schrift ihrer Beliebtheit.
Im Online-Shop habe ich heute die Weihnachtskarten ins Angebot genommen. Ob ich mir noch eine neue einfallen lasse, muß ich abwarten. Vielleicht kommt eine Eingebung geflogen. Und der diesjährige Goethe oder Hölderlin oder so muß auch noch gefunden werden. Bei Götz Aly (derzeitige Lektüre des Druckers) findet man keine Kalendertexte.
— Martin Z. Schröder