Drei Schnitte · 22. Februar 2009
Mein Vorschlag, eine Postkarten-Edition zu produzieren, wurde von den jungen Druckerey-Schülern nicht aufgenommen. Man könnte vielleicht, man werde sehen. Wir haben enorm produziert, drei Sorten Visitenkarten sowie einen Freundschaftsbeweis, der mir jetzt, wo ich ihn mit Ruhe sehe, seltsam formuliert zu sein scheint. Müßte es nicht heißen “daß ich Dein Freund bin” anstatt “daß Du mein Freund bist”? Oder ist das eine Art Entscheidung im Sinne des Freundes?
Erster Schnitt: Ein Künstler hat an seinem Linolschnitt weitergearbeitet, und das Messer ist in ihm in den Daumen gefahren. Erstes Pflaster. Zweiter Schnitt: Der Künstler hat ein weiteres Opfer gebracht, diesmal der Zeigefinger, aber das Werk ist fertig. Zweites Pflaster. Drucken konnten wir das Bild noch nicht. Gleich nächstes Mal.
Dritter Schnitt: der Goldene. Dale hatte nicht vergessen, daß ich letztes Mal von einem Büchlein gesprochen hatte. Da sich bislang niemand beteiligt, schafft er das auch alleine, der Entschluß ist fest. Er hat drei Gedichte gesetzt, die er auswendig kann, weil er sie selbst verfaßt hat. Wir haben auch das Format schon festgelegt, ausgehend von einem Stapel A5-Bogen, die ich nicht mehr brauche. Daraus wird ein Büchlein in den Proportionen des Goldenen Schnitts. Was hier eine Proportion ist, also das Verhältnis der Seiten zueinander, war leicht zu verstehen, aber wie erkläre ich den Goldenen Schnitt? Maße im Verhältnis 1:1,618 sind mit dem Taschenrechner schnell zu ermitteln. 21:34 mit der Rechenscheibe auch. Und daß es ein irrationales Maßverhältnis ist, das gleichwohl in der Natur gelegentlich vorkommt, etwa im Verhältnis der durchschnittlichen Handlänge zur durchschnittlichen Handbreite, habe ich auch mitgeteilt. Aber ganz aufgeklärt fühlte sich Dale noch nicht. Soll ich ihm mit diesem Lehrsatz kommen?: Zwei Strecken stehen im Verhältnis des Goldenen Schnittes, wenn sich die größere zur kleineren Strecke verhält wie die Summe aus beiden zur größeren. Der Goldene Schnitt verlangte eigentlich eine ganze Unterrichtseinheit. Ich werde einfach noch ein wenig Geschichte einstreuen und schauen, ob ich einen Zirkel finde, um ihn mal auf Papier zu konstruieren. Oder haben meine verehrten Leser guten Rat?
Erstaunlich, wie beliebt Aussagen sind wie “In Deutsch bin ich nicht so gut” oder “Mathe kann ich nicht”, zumal letztes von Freyja, die sehr
fix und geradezu begeistert ganze ungerade Zahlen dividierte. Man kommt ja ohne ein wenig Kopfrechnen weder an der Druckmaschine aus beim Einrichten der Form noch an der Papierschneidemaschine beim Aufteilen der Bogen in Druckformate. Ich lege es nicht drauf an, Schule zu halten und sage selbst die Lösung, bevor es quälend wird, aber oft können es die Kinder, wohl zumal, wenn das Ergebnis für die Arbeit gebraucht wird. Angewandtes Kopfrechnen zeigt, daß man in der Schule nicht nur sinnlos aufgehalten wird.
— Martin Z. Schröder
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