Goethes Kugel, Goethes Glück · 6. November 2017
Hans-Joachim Behrendt schuf diesen Stich vor vielen Jahren für ein Kinderbuch mit Goethe-Gedichten. Das Buch erschien entweder im Altberliner Verlag Lucie Groszer oder im Kinderbuchverlag Berlin; leider konnten wir das bisher nicht ermitteln. Der Künstler hat den Stich etwas verfeinert und aufgehellt und mir für eine neue Auflage überlassen. (Zum Online-Shop geht es hier.)
Und mit seinem Einverständnis habe ich zwei Goethe-Texte dazu gesetzt, die mir passend erschienen. Weil ich mich nicht für einen der beiden Texte und für eine der beiden Druckfarben entscheiden konnte, habe ich zwei Karten gedruckt. Gesetzt aus der Garamond und Garamond kursiv von der Schriftgießerei Typoart Leipzig.
Die Zurichtung der Form war recht einfach. Weil einerseits das Holz ein wenig arbeitet, auch wenn es ein altes Buchsbaumholz ist, und weil der Druckstock, wie wir den Holzstich als »Druckplatte« bezeichnen, nie ganz plan sein kann, aber auch, weil Flächen mehr physischen Druck benötigen als helle filigrane Bildpartien, wird hinter den Aufzug, also gegenüber des Druckstockes, mit Seidenpapier eine uneben Fläche aufgebaut, die die Unebenheiten des Holzes ausgleicht und den Druck auf die dunklen Partien verstärkt.
Das Seidenpapier wird dafür in verschiedenen Stärken verwendet. Manche Bogen sind so zart, daß man ein Buch dadurch lesen könnte. Und dieses Papier muß fein gerissen werden, weil Schnittkanten sich im Druckbild zeigen würden. Aber bei diesem Druckstock dauerte die Zurichtung »nur« drei Stunden. Mit anderen Formen habe ich schon doppelt so viel Zeit für den guten Druck zugebracht. Auf der Rückseite sollte nur wenig Schattierung zu sehen sein, auf keinen Fall eine starke Prägung, denn der Holzstich soll nicht vorzeitig abgenutzt werden.
Ebenso entscheidend sind die Geschwindigkeit, mit der die Walzen den Stock einfärben, sowie die Konsistenz der Farbe, die nicht zu fest und nicht zu flüssig sein darf. Wir sprechen von kurzen oder strengen und von langen Farben. Damit ist gemeint, daß lange Farben bei der Entnahme mit dem Spachtel einen Faden ziehen, strenge (kurze) Farben unmittelbar abreißen. Mit Firnis macht man Farbe länger, mit Bologneser Kreide oder Magnesium werden die Farben strenger und trockener. Das ändert natürlich auch den Ausdruck der Farbe. Wird die Farbe mit Magnesium trocken gemacht, verliert sie auch an Intensität. Wird zuviel Firnis hineingegeben, kann die Farbe beim Trocknen das Öl ausbluten, dann bilden sich fettiger Ränder. Für den Holzstichdruck bevorzuge ich lange Farben bei möglichst geringem Farbauftrag, damit die Farbe nicht in die weißen Spalte fließt, und langsame Maschinengeschwindigkeit, damit die Farbe nicht abreißt.
In der Vergrößerung sieht man hier recht gut den Randausgleich im Handsatz. Gutenberg hat ihn schon den Handschriften nachgeahmt, er geriet dann außer Beachtung, und Jan Tschichold hat ihn noch im Zeitalter des maschinellen Bleisatzes recht vergeblich wieder eingefordert. Digital kann heute der Randausgleich leicht hergestellt werden.
Im Bleisatz ist es schwieriger. Man kann schlecht winzige Spatien, also nichtdruckende Teilchen vor die Zeilen legen, weil diese bei der Verarbeitung der Kolumne allzu leicht abfallen würden. Wie hier im Bild gezeigt, werden größere nichtdruckende Quadraten und Spatien verwendet. Auf der linken Seite der Kolumne ist nur das »v« ein wenig aus der Satzkante herausgezogen. (Der Satz steht kopf, weil wir Schriftsetzer von links nach rechts lesen. Aus »oben« wird »unten«.)
Auf der rechten Seite sind es zwei Bindestriche, die aus der Satzkante herausgeschoben wurden. In der Vergrößerung fällt das sogar auf, obwohl es sich nur um eine Verschiebung von anderthalb Punkt handelt – das ist ein guter halber Millimeter. Auffallen soll der Randausgleich niemandem. Um zu beurteilen, ob der Randausgleich gelungen ist, muß man den gedruckten Text in Originalgröße anschauen und keine Makroaufnahmen vom Satz.
Deshalb steht hier noch ein Foto, das den ganzen Druckbogen mit den Händen des Druckers zeigt. Der Randausgleich ist gelungen, wenn an der Satzkante weder Dellen nach innen noch Spitzen nach außen auffallen. Auffälliger Textsatz ist, wenn es sich nicht um künstlerische Absichten handelt, kein gelungener Satz.
In derselben Woche, in der ich den alten Stich druckte, war Hans-Joachim Behrendt in der Werkstatt für einen anderen Stich, den er während der Einrichtung der Maschine noch einmal ein wenig bearbeitete und eine Schraffur ergänzte. Ohne das gewohnte Mikroskop fiel die Arbeit etwas schwerer.
— Martin Z. Schröder