Ein Kilo Schwarz · 18. August 2011
Bis der Spachtel Splitter vom Boden dieser Farbdose abzuhobeln begann, was fürs Farbwerk des guten alten Tiegels (er wird nächstes Jahr 60, feiert man Maschinengeburtstage?) ungut wäre, weil die Splitter sich in die Gummiwalzen bohren könnten und von dort die Bleilettern zerkratzen und zerquetschen, bis also nichts mehr herauszuholen war, habe ich aus dieser Dose den Schwarzbedarf der Druckerey gedeckt. In den Druckereien heute schüttet man ganze Bottiche in die Farbwerke von 80 Meter langen Offsetmaschinen, die von Pulten aus durch halbe Ingenieure gesteuert werden. Das macht vielleicht auch Spaß, aber mir ist meine Maschinensammlung lieber.
Diese Farbdose habe ich vor Jahren geöffnet. Damals waren nur zwei Maschinen in Betrieb, der kleine Handtiegel, mit dem 1994 die Offizin gegründet wurde, 2003 kam der große Pedaltiegel aus der Maschinenfabrik Emil Kahle in Leipzig-Paunsdorf dazu, 2007 oder so noch ein Handtiegel, und seit 2009 der Heidelberger Tiegel. Sie alle wurden aus dieser Dose gefüttert. Ich habe zwei bibliophile Bücher von Max Goldt damit gedruckt und viele, viele Visitenkarten, viele Einladungen, einige Briefkarten, einige Geschäftsausstattungen und privates Briefpapier, eine Menükarte für ein Kunstwerk, die gerahmt im Hamburger Bahnhof (also dem Berliner Kunstmuseum) hing, Todesanzeigen wurden mit dieser Farbe gedruckt, Kunstdrucke, Geburtsanzeigen.
Auf diesem nachbelichteten Bild kann man der Farbdose auf den Grund schauen.
Die Dose ist recht betagt, damals hat man sogar solche Etiketten im Buchdruck bedruckt. Sicherlich nicht vom Handsatz, aber Zeilen aus der Linotype werden es wohl gewesen sein, man sieht es an der ck-Ligatur und den ununterschnittenen Buchstaben.
Und man sieht es am Quetschrand. Diese gute schwarze Farbe trocknete nicht oxydativ, also nicht durch Luft, weshalb sie auch in der Dose niemals Haut bildete, sondern wegschlagend, also im Papier. Weil man die Farbe länger in der Maschine stehen lassen kann, auch im Farbkasten, von wo aus die Farbe ins Farbwerk übertragen wird, nennt man sie auch kastenstabil.
Nun habe ich eine neue alte Dose aufgemacht. Ein Kilo Schwarz glänzt darin.
— Martin Z. Schröder
Kommentare [3]
Unter dem Deckel der alten Dose · 2. April 2009
Zuerst reiche ich noch ein Bild einer Karte nach, welche die fleißige Freya aus der Schülergruppe auch noch gedruckt hat letztes Mal. Und fast jeder der anderen nahm eines mit. Es kamen gleich weitere (entsetzliche) Vorschläge für Warn- und Hinweisschilder auf, die mangels Zeit nicht gedruckt werden, einige Haushaltsvorstände werden dafür dankbar sein.
Früher druckte ich mit DDR-Farbe. Nun sollte ich eine Briefkarte nachdrucken, die ich vor ein paar Jahren mit dieser Farbe gedruckt hatte, die meinem Kunden ausnehmen gut gefiel, weil ihr die harte Brillanz fehlt, die heutige Farben schön satt, aber eben auch etwas streng macht. Zum Glück steht die alte Dose noch im Regal. Ich hätte sonst ein sehr dunkles Braun anfertigen müssen, und dorthinein vielleicht noch weiße Farbe geben, damit die Sättigung gemindert wird und diese eigentümliche Flauigkeit (oder heißt es Fläue?) erreicht wird.
Ich bin froh, daß ich mir dieses Experiment sparen konnte. In dieses Schwarz hat man früher je nach Papier Blau oder Braun hineingegeben, um es dunkler und brillanter zu machen. Diese Farbe ist sehr haltbar. Unverwüstlich. Sie bildet keine Haut, sie besteht wohl nur aus Pigment und Öl, es scheinen keine Trockenstoffe enthalten zu sein. Sie braucht auch etwas länger als andere Farben, bis sie ins Papier weggeschlagen ist. Bevor man sie verdrucken kann, muß sie ordentlich durchgewalkt werden, mit dem Spachtel, denn wenn man sie aus der Dose holt, ist sie hart und ölig. Sie bekommt dann durch das Kneten eine schöne Viskosität (Zähflüssigkeit), zieht einen sehr kurzen Faden und kann ganz fein ausgewalzt werden. Sie druckt eben nur nicht tiefschwarz.
— Martin Z. Schröder