Papier ohne kalte Füße · 15. Dezember 2007

Der Drucker arbeitet dieser Tage als Assistent des Weihnachtsmannes und packt jeden Tag Geschenke ein. Ich stelle mir dabei vor, wie sie ausgepackt werden und hoffe, daß die glücklichen Gesichter nicht nur aufgesetzt sind. Aber einem Schreibmuffel wird man wohl keine Briefschatulle aus Kirschbaumholz, gefüllt mit vom Bleisatz bedrucktem Briefpapier aus Hadern schenken.

Hadern hieß früher Lumpen, als das Papier noch aus solchen gemacht wurde. Weshalb Bücher aus dem 18. Jahrhundert heute weißer leuchten als 150 Jahre jüngere. Denn nur holzhaltiges Papier vergilbt, weil das im Holzschliff enthaltene Lignin oxydiert. Heute meint man mit Hadern Baumwolle. Hochwertige Papiere haben einen Baumwollanteil oder sind ganz aus Baumwolle. Manche, wie die beispielsweise in unserem Schaufenster unter „Korrespondenz“ gezeigten, verkünden stolz in ihrem Wasserzeichen: „100% Cotton“.

Heute kam die erste Lieferung des Papiers für das neue Büchlein von Max Goldt. Wie schon beim ersten Band hat der französische Papierhersteller Arjowiggins SAS* aus Wertschätzung für diese Arbeit das Papier für den Inhalt und den inneren Umschlag ohne Berechnung liefern lassen. Ein Geschenk. Wenn ich über dieses Papier hier gute Worte verliere, ist das keine Schleichwerbung (wie man sieht, schleiche ich nicht), sondern Meinung. Wie ich vor einigen Wochen erzählte, habe ich Papiere mehrerer Hersteller geprüft, aber kein Grau hat den warmen Ton des Pop’Set perlgrau von Arjowiggins, das wenig lichtdurchlässig ist, das als ungestrichenes Papier den Buchdruck verträgt und sich gut anfühlt. Papier kann sowohl glatt sein und damit kalt wirken als auch filzgenarbt und warm. Für feine Schriften wie die klassizistischen und mit Spitzfeder geschriebenen eignen sich glatte Papiere besser, weil sie die Nuancen der Schrift genau darstellen. Andere Schriften vertragen auch rauhere Papiere. Pop’Set hat eine matte, also nur leicht markierte Oberfläche. Das Geschenk des Papierherstellers trifft den Verbraucher: Daß der Papierpreis aus der Kalkulation verschwindet, wirkt sich auf den Preis des einzelnen Büchleins aus.

*Arjowiggins SAS ist ein in Issy-les-Moulineaux, Paris, hauptansässiger Konzern mit weltweit 35 Papiermühlen, darunter schon seit 1890 jene Mühle, die 1888 in Dover zuerst die Marke Conqueror produzierte, das zu den von mir bevorzugten Feinpapieren zählt. Conqueror, das ich verarbeite, kommt heute aus Schottland, auch in England und Frankreich werden einige Sorten hergestellt. Die Arjowiggins-Geschichte reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert. SAS heißt Société par Actions Simplifiée.

Wie beim Bäcker der Kraftwagen mit dem Mehl vorfährt, so kommt das Papier in rauhen und rohen Mengen zum Drucker. Vier Ries (Ries ist eine unbestimmte Packungsgröße für Rohbogen von Papier) wurden mir auf einer Palette vor die Tür gefahren, 60 Kilo wiegen sie. Eine der Packungen ist beim Transport gerissen. Das ist bei diesem Wetter recht gefährlich, denn Papier paßt sich sehr schnell dem Klima seiner Umgebung an. Wenn es kalt ist, nimmt es Feuchtigkeit auf, bei Wärme gibt es sie ab. Die Fasern arbeiten dann stark, sie dehnen oder verkürzen sich. Wenn das öfter passiert, kann das Papier Beulen bekommen, wellig werden oder tellern, d.h. die Fasern am äußeren Papierrand arbeiten schneller als die innen, und dann bekommt der Bogen wellige Ränder. Deswegen darf in Papierlagern auch abends und am Wochenende die Heizung nicht heruntergedreht werden. Kurz entschlossen habe ich das Papier sofort in die Schneidemaschine genommen und geviertelt. Die aufgerissene Packung lag nicht ganz oben, das Papier sah gut aus. Gewöhnlich läßt man das Papier einige Stunden in der Packung, damit es die Umgebungstemperatur annimmt und beim Öffnen der Packung nicht sofort Luft austauscht, um sich anzupassen. Ries-Verpackungen sind beschichtet und klimadicht. Erst nach dieser Anpassung wird die Verpackung geöffnet und das Papier zugeschnitten.

Die Schneidemaschine gehört nicht zur Drucktechnik, weshalb ich hier auf ein antikes Modell verzichtet habe. Das Papier von Hand zu zerschneiden, würde meine Drucksachen gewiß nicht schöner machen. Es kommt auf Genauigkeit und Sauberkeit an beim Papierschneiden. Auf einen Hundertstelmillimeter kann man die Schnittgröße justieren. Bei Papier ist das allerdings sinnlos. Solche Maschinen schneiden eben auch Stoffe, Linoleum und dergleichen, sogar Metalle, wo man diese Einstellungen womöglich braucht. Für Papier genügen Zehntelmillimeter, es arbeitet ohnehin und verändert seine Größe geringfügig.

Das Messer dieser Maschine, knapp einen Meter lang, ist scharf wie eine Rasierklinge. Zum Schleifen lasse ich es nicht zu einer gewöhnlichen Schleiferei bringen, sondern eine für medizinische Geräte, die zur Berliner Charité gehört. Dort wird das Messer nach dem Schleifen noch gehärtet. Das Messer bleibt länger scharf, muß also weniger oft geschliffen werden, hält also länger. Aus den höheren Kosten für das Schleifen ergibt sich am Ende eine Ersparnis.

Das Frontalbild der Schneidemaschine wurde im Sommer 2004 gemacht am Tag, als die Maschine aufgestellt wurde. Das zweite, auf dem der Drucker beim Auspacken zu sehen ist, zeigt auch, wie eine Schneidemaschine oft als Ablage dienen muß für Schnittreste, die man „vielleicht noch mal brauchen“ kann. Nun habe ich also ein Ries des Inhaltspapiers geviertelt, und erst einmal in einen Pappkarton gestapelt und auf andere Pappkartons gestellt, damit das Papier keine kalten Füße bekommt. Vor dem Drucken werden die Bogen dann noch einmal geteilt und auf ein genaues Format zugeschnitten, aber damit kann ich frühestens im Januar beginnen. Ich muß mich an die Texte herantasten und mal einen groben Entwurfsplan machen. Und den Seitenaufriß. Und über Farben nachdenken. Und vorher das Schlachtfeld aufräumen, das im Weihnachtsdrucken entstanden ist. Aber damit mache ich jetzt erst einmal noch weiter. Eine Woche ist noch Zeit.

— Martin Z. Schröder

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