Pedaltiegel mit Schwungrad zu verkaufen · 22. Juni 2020
Er hat mir seit 2004 treu gedient. Briefpapier, Eheurkunden, Einladungen, kleine Plakate und das zweite der bibliophilen Büchlein von Max Goldt sowie die Umschläge der Bände 2 bis 4 wurden auf dieser Maschine gedruckt.
Aber nun steht sie seit Jahren still. Wird nur noch alle paar Monate der Pflege-Routine unterzogen, entstaubt, ein wenig geölt und gestreichelt.
Es wird Zeit, daß der Nußknacker einen neuen Rumpelkutscher findet.
Gebaut wurde diese Maschine um 1900 von der Maschinenfabrik »Emil Kahle« in Leipzig-Paunsdorf.
Ich habe sie in einem nicht verwendbaren Zustand aus einem Privatmuseum gekauft, woraus sie aus Platzmangel weichen mußte. Zu dritt hievten wir sie mit Mühe auf einem Transporter. In Berlin legten wir einen dicken Strick um die vor dem Haus Schonensche Straße 38 stehende Laterne und ließen das Fundament langsam auf einer Schräge aus Brettern ins Souterrain. Anno 2003 hatte ich diese Werkstatt erst bezogen.
Wir bekamen sie aber nicht aufgestellt. Die Maschine lag schwer auf dem Boden und ließ sich von uns dreien nicht aufrichten. Da rief ich eine Freundin an und bat sie, mir ihren Sohn mit ein paar von dessen Freunden zu leihen. Dieser Sohn war nämlich damals ein junger Polizist und Kampfsportler.
Er kam rasch mit seinen Freunden nach dem Fußballtrainig vorbei, und drei der überbreiten Herren stellten die Maschine spielerisch auf die Füße.
Anschließend mußten einige Teile neu gedreht werden. Damals noch ohne CNC-Fräsen. Und ich mußte erst einmal eine Zeichnung der Walzenspindeln und Laufräder anfertigen. Ein Schlosser nahm sich der Sache an. Und der Tischlermeister Horst Wrede aus Emmen baute die fehlende Ablage, deren Maße ich einem alten Buch über ähnliche Maschinen so ungefähr entnehmen konnte.
Ein zweiter Schlosser, damals noch auf einem Hof in der Kastanienallee, in der es heute nur noch ständig wechselnde Firlefanzgeschäfte gibt, baute mir die Befestigung für den Aufzug und eine Muffe zum Festhalten des Schwungrades.
Anschließend wurden die vier Walzen neu mit Gummi bezogen.
Und dann verdiente diese Maschine zusammen mit einem Handtiegel nicht nur meinen Lebensunterhalt, sondern auch das Geld für meinen ersten Heidelberger Tiegel. Der ihr dann die Arbeit abnahm. Im Jahr 2013 zog die Maschine mit mir nach Weißensee in die jetzige Werkstatt. Aber hier hatte sie kaum noch zu tun, obwohl sie, das ist einer ihrer Vorzüge, ein etwas größeres Druckformat als der Heidelberger hat und auch über das Format weit herausragende Materialen bedrucken kann. Nun ist es also an der Zeit für einen neuen Standort, und für 3500 Euro brutto kann die Maschine abgeholt werden.
— Martin Z. Schröder
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Entrosten · 9. Oktober 2016
Nach dem Druckstock zu urteilen, der noch in der Maschine hing, war sie vor 1990 zuletzt benutzt worden, denn eine alte Berliner Postleitzahl mit der 1000 und ohne W vornan stand darauf.
Man sieht so einem rostigen Gerät nicht auf den ersten Blick an, was sich daraus machen läßt.
Bis auf zwei Laufräder für die Walzen sind immerhin alle Teile vorhanden.
Und man kann sogar erkennen, woher das Stück stammt.
Kamenzer Maschinenfabrik Gebr. Heidsieck, geliefert von Gustav Stein, Elisabethufer 5/6, der heutige Elisabethhof am Erkelenzdamm 59–61 in Berlin-Kreuzberg. Wann die Maschine gebaut wurde, weiß ich nicht. Die Adresse Elisabethufer wurde im Mai 1937 umbenannt. Verkauft wurde sie also davor. Für die 30er Jahre erscheint mir aber das Firmenschild recht unmodern, ich würde den Bau der Maschine eher in den 10er Jahren vermuten oder noch etwas eher, auch wegen der noch an machen Stellen gut sichtbaren gemalten goldenen Rahmenlinien an den Bauteilen.
Nach dem Entrosten, Reinigen und Ölen zeigt sich ein recht hübscher kleiner Tiegel.
Die beiden fehlenden Laufräder müssen den beiden vorhandenen nachgefräst werden.
Die ersten Probedrucke der nur grob eingerichteten Maschine versprechen eine gute Druckqualität.
Eingesetzt werden soll der Tiegel vor allem für die Workshops und Kinder-Kurse. Er eignet sich dafür bestens, weil er besonders leichtgängig läuft. (Ein vierjähriger Werkstattbesucher hat ihn gleich ausprobiert und war sehr zufrieden.)
— Martin Z. Schröder
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