Viele Schriften auf einer Seite · 24. Mai 2010

Es sind zwar nur zwei halbe Texte, das ist keine Doppelseite, sondern ein Druckbogen mit den Seiten 26 (links) und 7 (rechts), aber so große Textpassagen kann ich nicht scharf zeigen. Zum dunklen Rötlichblau kommt im nächsten Druckgang noch Orange. Aber über einige Details darf ich schon plaudern, zumal sie nichts mit dem Textinhalt zu tun haben, sondern mit seiner Form.

Apropos Form, dies hier ist die Druckform im Schließrahmen. Das Buch wird komplett vom Bleisatz gedruckt, Klischees kommen nicht zur Anwendung. Ausschließlich Handsatzqualität. Damit läßt sich einiges anrichten. Neulich las ich (Dank nach Hamburg für den Tip!) ein Interview mit Kurt Weidemann in den Heidelberg Nachrichten (Ausgabe 269, Seite 48ff., online hier)

Darin sagt er, es wäre ihm “am liebsten, wenn wieder der manuelle Bleisatz gemacht würde, weil ich jeden Buchstaben einzeln aus dem Setzkasten holen muss, also zur Gründlichkeit gezwungen bin. Ich habe das Produkt in die Hand genommen und in den Winkelhaken hineingestellt. Ich habe die Zeile spiegelbildlich über Kopf gesehen, die Zeile überflogen, ausgeglichen und mich dann an die nächste Zeile gemacht. In dem Moment, wo ich die Buchstaben spiegelbildlich über Kopf sehe, lerne ich, Formen zu unterscheiden und Qualitäten zu erkennen.” Übrigens erklärt das auch die Fotos vom Bleisatz in diesem Blog, die ich so zeige, wie ich den Satz sehe, also kopfgestellt, damit man von links nach rechts lesen kann.

Weidemann sagt, finde ich, vieles schön und richtig, aber manchmal übertreibt er. Auf die Frage nach typografischen Innovationen antwortet Weidemann: “Für die Typografie sehe ich nur einen geringen Innovationsspielraum, einen äußerst geringen. Da kann man nur etwas fortsetzen, was in 450 Jahren gewachsen ist. Wir brauchen kein einziges neues Alphabet mehr, und ich kenne gute Typografen, die ihr Leben lang mit drei Schriften ausgekommen sind. Heute gibt es 30 000 Schriften auf dem Markt. Davon sind 29 984 überflüssig. Die kann man im Stillen Ozean versenken, ohne einen kulturellen Flurschaden anzurichten. Da geht nichts Wertvolles kaputt.” Sechzehn Schriften will er uns noch gönnen, wobei der einzelne Typograf sich mit einer Handvoll bescheiden soll. Möglicherweise übertreibt er aus pädagogischen Gründen, aber mir ist die Wahrheit lieber als die Erziehung. Der Fundus an Meisterschriften ist seit Jahrhunderten größer als das, was Weidemann uns läßt; und ein Typograf, der mit drei Schriften auskommt, also nicht einmal zwischen zwei Schriften gleichen Stils wählen darf, welche Schriftart hat der denn über Bord geworfen? Renaissance-Antiqua, Übergangs-Antiqua, Klassizistische, Serifenlose, Gotische, Rundgotische, Schwabacher, Fraktur? Von Schreib- und Schmuckschriften nicht zu reden.

So, jetzt ein bißchen Schlamm und Schmutz, denn ich bin kein Bibeltypograf, der sein Lebtag mit drei Schriften auskommen kann. (Es ist ein Andruck auf dem Foto, deshalb so unsauber.) Im Bilde hier die halbfette Fundamental kursiv (Gießerei Ludwig Wagner, Leipzig, Erstguß 1939, Entwurf Arno Drescher), die Bigband (Entwurf Karlgeorg Hoefer, Gießerei Ludwig & Mayer, Frankfurt am Main, Erstguß 1974) und die halbfette Block-Signal (Entwurf Walter Wege für die H. Berthold AG, Erstguß Berlin 1932). Auf der Doppelseite im Buch tummeln sich dann außerdem noch die schmalhalbfette Futura und die kursive Garamond und als Grundschrift die magere Maxima (Gießerei Typoart, Entwurf von Gert Wunderlich, 1960er Jahre, Erstguß 1970?, stimmt das?).

Aber die Doppelseite wird trotzdem anständig aussehen, auch wenn sechs Schriften auf ihr beisammen sind. Hier zwei davon, die Futura unten und die Garamond oben. Zweitfarbe fehlt noch. Es handelt sich um ein Platten-Cover, also gewissermaßen um ein typografisches Zitat im Text.

Hier zeige ich die Satzform; die Garamond mußte um den Kreis, der auf einen eckigen Kegel gegossen ist, herumgebaut werden. War aber keine große Sache.

Die Garamond hat eine ft-Ligatur. Ich habe vergessen, sie zu fotografieren. In der Ligatur ist das t nach oben gezogen, um in den Kopf des f überzugehen. Jan Tschichold hat diese Vergewaltigung des t scharf kritisiert. Ich hatte es erst gesetzt, aber als ich dann die ersten Andrucke sah, habe ich diese Ligatur doch wieder aufgelöst. Wenn man es einmal mit Tschicholds Augen gesehen hat, kann man das ft kaum noch verwenden. Vielleicht in einer kleinen Schrift auf einer Akzidenz, aber für Buchkunst ist die Ligatur zu häßlich. Möglicherweise wollte Thannhaeuser sie gar nicht zeichnen (Erstguß 1955), und die Genossen von Typoart haben ihn überredet.

Die fi-Ligatur ist ja sehr schön.

Auch die ff-Ligatur kann sich sehen lassen.

In der Schriftgießerei hat man so einiges ausgeheckt. Zum Beispiel für die Maxima. Hier kam man auf die Idee, an Ruf- und Fragezeichen, ans Kolon und Semikolon das Spatium, das der Setzer von Hand vor das Zeichen setzt, gleich anzugießen, um dem Setzer einen Handgriff zu ersparen. Der arme Setzer hat aber nicht nur aus der Maxima zu setzen (außer er arbeitet für einen Typografen wie den Bekannten Weidemanns), und so muß er für einen gewohnten Handgriff (Punkt-Spatium vor !?;: und Guillemets in Brotschriftgraden) plötzlich darüber nachdenken, in welchem Kasten er die Finger hat.

Der Satz: an die Ausrufezeichen muß kein Spatium mehr gelegt werden.

Ans Fragezeichen auch nicht.

Um den Freunden der Werke Max Goldts den Mund wässrig zu machen auf dieses Buch, verrate ich die Überschriften der beiden Texte. Der erste heißt Chcocklers Flops, der zweite Die Elfjährige, die in der Achterbahn ein Kind ohne Knochen gebar. Bestellen kann man das Buch noch nicht, es ist einfach zu früh, mitten in der Produktion.

— Martin Z. Schröder

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