Ärger · 19. Mai 2008
Manchmal ärgere ich mich. Wenn ich mich über mich ärgere, versuche ich Nachsicht zu üben, aber das gelingt mir nicht immer. Wenn ich zum Beispiel einen Fehler drucke, verdirbt mir das die Stimmung. Fehler passieren. „Dit is Produkßion“, sagte ein Berliner Kollege, nachdem er mir eröffnet hatte, daß in seiner Offsetmaschine mitten in der Auflage das Farbwerk einen Haschmich bekommen hatte und ruckzuck ein paar hundert Bogen falsch gedruckt waren, er also Papier neu bestellen mußte und der Termin nicht zu halten war, was ich ja dann meinem Kunden erklären mußte. (Gelegentlich übernehme ich für meine Bleisatz-Kunden einen Offsetdruck-Auftrag.)
Besonders ärgerlich ist es aber, wenn man gegenüber Kunden mit den eigenen Fehlern nicht vernünftig umgehen, um Entschuldigung bitten und für die Vergebung etwas tun kann. Wenn mir ein Fehler unterläuft, versuche ich vieles, um meinen Kunden zu befriedigen, weil mir bei dem Gedanken unbehaglich ist, daß Menschen sich über meine Fehler ärgern. Es ist keine gute Reklame für einen Handwerker.
Manchmal krachen freilich auch Denksysteme gegeneinander, man fühlt sich unverstanden und versucht, sich glimpflich zu trennen. Dit is denn nich Produkßion, dit is dit Lehm. Heute bekam ich eine E-Mail von einem Zahlungsverschlepper: „Ich bin es nicht gewohnt – wegen so einem Minibetrag – ständig gemahnt zu werden.“ Der Mann ist seit drei Wochen mit 48,47 Euro in Verzug und hat drei Zusagen nicht gehalten: Erst wollte er das Geld schicken, dann bringen, schließlich überweisen. Was meine Kunden für „viel“ und für „wenig“ Geld halten, geht mich nichts an und ist auch recht unterschiedlich. Daß jemand nicht bezahlt und sich dann auch noch über Erinnerungen beklagt, statt mit mir offen zu reden, wenn er Zahlungsschwierigkeiten hat, ist mir in all den Jahren, die ich Rechnungen schreibe, noch nicht vorgekommen. Gegen solche Kunden ist man dann etwas hilflos. Leider beeinträchtigen solche Leute das Vertrauen, das man seinen Kunden gerne entgegenbringt, man wird gegen den eigenen Willen vorsichtiger.
Wenn mir ein Fehler passiert, versuche ich also, ihn auszugleichen. Neulich verschickte ich ein Päckchen mit Hochzeitseinladungen auf Echt Bütten. Dachte ich. Mich rief mein Kunde an und eröffnete mir, daß die Karten leer seien. Er habe erst eine gesehen, gedacht: na schön, liegt obenauf eine unbedruckte, dann die zweite ebenfalls blanko vorgefunden und so das ganze Paket. Ich hatte die bedruckte Ware ins Papierlager gesteckt und die unbedruckte verschickt. Diesen Fehler fand zum Glück auch mein Kunde lustig, mir war er noch nie zuvor passiert, ich mußte lachen. Mein Kunde hat die Gutschrift, die ich ihm für seinen Aufwand mit der Rücksendung angeboten hatte, gar nicht angenommen, nur das Porto von meiner Rechnung abgezogen und mir die Karten zurückgeschickt, weil er mit der Arbeit, die ich ihm dann flugs zugesandt, sehr zufrieden war.
Heute habe ich eine Papierlieferung bekommen. Große Bogen, 610 mal 860 mm. Eine winzige Menge, vier Bogen. Sie sind mit Knitterspuren übersät und unbrauchbar. Ich rief den Großhändler an, um zu fragen, ob er nun wieder zwei Tage benötigen wurde, um mir Ersatz zu schicken und bekam zu hören: „Wieso hat denn das zwei Tage gedauert?“ Bei so einer Antwort werde ich wütend. Ich drosselte mit Gewalt meine Betriebstemperatur und meinte: „Fragen Sie das ernsthaft mich?“ Dann wurde mir erklärt, daß diese kleine Menge von einer Filiale gepackt würde und man keinen Einfluß auf die Qualität habe. Mein Kühlwerk arbeitete auf Hochtouren. „Wollen Sie mir damit sagen, daß Sie mir keine einwandfreie Lieferung garantieren können?“ Stupide wurde noch einmal die Filiale ins Feld geführt. Ich mußte das Ventil öffnen: „Ich storniere den Auftrag, ich sage meinem Kunden ab oder kaufe woanders. Möchten Sie Ihre Ware wieder abholen oder soll ich sie ins Altpapier geben? Ich rechne mit Ihrer Gutschrift.“ Mir wurde beschieden, ich möge einen Rückruf abwarten. Nach zehn Minuten teilte man mir mit, daß man im eigenen Lager die Bogen packen werde und morgen den Ersatz liefern, die man mir nicht in Rechnung stelle, die schlechte Ware könne ich behalten. Um Entschuldigung wurde nicht gebeten.
Ich bin mit diesem Handel ohnehin etwas überfordert, denn mir wurde erst am Donnerstag die Lieferung für Freitag zugesagt, allerdings schon mit einem Seufzer „Morgen ist Freitag“, als hätten wir eine 4-Tage-Woche. Am Freitag war ich extra eine Stunde eher in der Werkstatt erschienen, um dann zwei Stunden später einen Anruf zu bekommen, daß die Ware erst am Montag komme. Und am Montag gab’s dann halt schlechte Ware und keine Bitte um Vergebung dafür, sondern als erstes eine dumme Rückfrage wegen der Lieferzeit.
Der Großhändler heißt Schneidersöhne und lieferte mir (pünktlich und einwandfrei) das sehr, sehr schöne Papier Majestic für den Umschlag des Goldtschen Fledermaus-Atlas’. Ich kann das Angebot von Schneidersöhne nur empfehlen, aber wenn es eilt und auf kleine Menge in guter Qualität ankommt, werde ich mich auf diesen Händler nicht mehr verlassen. Wenn der Vertreter sich wieder einmal sehen läßt, muß ich ihm das sagen, auch wenn der Mann, der nichts dafür kann, mir leid tut.
Soviel für heute zu dem Menschlich-Alltäglichen, das auch in einer kleinen Handwerksdruckerei (zum Glück nicht wirklich alltäglich) geschieht.
— Martin Z. Schröder
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